Projekte

Freitag, 5. Mai 2006

Teilhaben am «ganz normalen Leben»

In zwölf Basler Schulklassen werden Kinder mit einer geistigen Behinderung integriert

Jonas ist zehn. Er schwimmt gerne, mag Fussball, Musik, seinen Gameboy und Tiere, wie viele andere Jungen auch. Doch Jonas kam mit dem Down-Syndrom zur Welt. Deshalb braucht er für alles, was er tut, viel Zeit und ist auf Hilfe angewiesen. Trotzdem besucht er seit dem ersten Schuljahr die Regelklasse. Möglich macht dies das Modell der integrativen Schulung.

In Integrationsklassen gehen vier Kinder mit einer geistigen Behinderung zusammen mit Regelschülern zur Schule; die Klasse wird von einer Lehrerin und einer Heilpädagogin unterrichtet, die die Integrationskinder während des Unterrichts unterstützt. Diese arbeiten an den gleichen Themen wie die Regelschüler, erledigen die Aufgaben jedoch in ihrem Tempo und mit individuellen Lernzielen.

Inzwischen gibt es zwölf Integrationsklassen in Basel. «Es ist eine Erfolgsgeschichte», freut sich Elsbeth Zurfluh, Beauftragte für integrative Schulung der Stadt Basel. «Ich bin überzeugt, dass alle Kinder von der integrativen Schulung profitieren», sagt Zurfluh.

«Die Integration der vier Kinder verlief von Anfang an sehr gut», erzählen Tina Buch-Hansen und die Heilpädagogin Monica Scherler. Die Regelschulkinder seien ihnen gerne ein Vorbild und gäben sich grosse Mühe, ihnen etwas zu erklären. «Inzwischen haben sie im Umgang mit den Integrationskindern auch Tricks gelernt», sagt Buch-Hansen. So brächten sie Jonas mit Singen dazu, schneller zu gehen. «Solche Momente sind für uns Sternstunden.»

Donnerstag, 4. Mai 2006

«Der Wald ist der perfekte Lernraum»

Ob Sommer oder Winter: Die Waldkinder von St. Gallen lernen spielend in freier Natur statt im Klassenzimmer. Ein Besuch bei der einzigen Waldbasisstufe der Schweiz.

Die Motorsäge heult auf, zittert und frisst sich langsam ins weiche Holz. Die Kinder schauen den Waldarbeitern stumm zu. Einige machen ein böses Gesicht, «das ist gemein», stösst ein Junge hervor. «Hoffentlich finden sie meinen Lieblingsbaum nicht» flüstert ein anderer.

Die Kinder gehören zu den Waldkindern St. Gallen, der einzigen Waldbasisstufe der Schweiz. Ihre Schule ist der Wald, im Sommer wie im Winter. Zwar steht ein Schulwagen, ausgerüstet mit Pulten, am Rande des Hagenbuchwalds, doch er wird nur selten benutzt.

30 Kinder besuchen die private Waldschule, die einen Kindergarten und die beiden ersten Schuljahre anbietet. Inhaltlich folgt sie den Vorgaben des kantonalen Lehrplans. Darüber hinaus richtet sie sich nach der Naturpädagogik, die eine enge Beziehung zur Natur fördert und auf freiwillige Lernangebote sowie unstrukturiertes Spielzeug aus der Natur setzt.

...«Letzten Herbst hatten wir viel Nebel. Die Kinder spielten draussen und wollten austesten, ab welcher Distanz man sie nicht mehr sehen konnte. Schon waren wir beim Thema messen», erzählt Lehrerin Caro Knöpfel. Die Kinder hätten motiviert mitgemacht.

«Im Wald wird die Kreativität und Phantasie der Kinder angeregt», sagt Knöpfel. «Denn hier bekommen sie nichts geliefert und können nicht einfach konsumieren.» Die Kinder lernten auch, sich selber zu vertrauen.

Die Lehrkräfte der dritten Klasse lobten deshalb nicht nur die schulischen Leistungen der Waldkinder, «sondern vor allem ihr Selbstbewusstsein und ihre Selbstständigkeit».

baz-Artikel

Mittwoch, 3. Mai 2006

Französisch ab Kindergarten? Pas de problème!

Die Strasse zwischen Jeuss und Cressier kommt der Erstklasslehrerin Stéphanie Ryffel manchmal länger vor als nur zwei Kilometer. Denn zwischen den beiden Freiburger Dörfern verläuft die Sprachgrenze und bildet eine unsichtbare Linie. Ryffels Ziel ist es, die Nachbardörfer einander näher zu bringen....

Die Voraussetzungen dafür sind nicht schlecht: So lernen die Kinder in beiden Orten bereits vom Kindergarten weg die Sprache des andern Dorfes: Im deutschsprachigen Jeuss üben die Kindergärteler, die Erst- und Zweitklässler jede Woche 90 Minuten französisch, im französischsprachigen Cressier deutsch.

Ryffel ist vom inzwischen sechsjährigen Projekt überzeugt: «Die Kinder sind unglaublich motiviert, zeigen viel Freude an der Fremdsprache und lernen schnell», sagt sie. Primäres Ziel auf der Stufe Kindergarten bis zweite Klasse sei es, den Kindern Freude an anderen Sprachen zu vermitteln, spielerisch und ohne Drill.

Von einer Überforderung der Kinder spürt Ryffel kaum etwas. Womöglich, sagt sie, liege das daran, dass die Eltern an das Frühfranzösisch und die Leistungen ihres Kindes weniger hohe Erwartungen hätten als etwa im Lesen oder Rechnen.

Dem Frühfranzösisch kann sie nur Gutes abgewinnen. Mit dem «sanften, unbelasteten Spracheinstieg» liefen die Kinder weniger Gefahr, den «Ablöscher» zu bekommen. «Zudem erweitert es den Horizont und ermöglicht es den Kindern, sich mit andern auszutauschen.» Gerade in der Schweiz, einem Land mit vier Sprachen, sei dies wichtig. «Es geht dabei doch auch um unsere Identität!» Warum das Interesse an Französisch unter Deutschschweizern dennoch so gering sei, verstehe sie nicht.

baz-Artikel

Dienstag, 2. Mai 2006

Mit Räteromanisch gegen die Langeweile

Am Dienstag zweiten Tag ihrer bildungspolitischen Tour de Suisse hat die baz begabten Kindern in Langnau über die Schultern geschaut. Diese lernen Rätoromanisch – damit es ihnen nicht langweilig wird....

Die Lehrerin Corina Robbi bittet die Kinder nach vorne und legt ein Papier auf den Boden, das Szenen einer kürzlich gelesenen Prinzengeschichte zeigt. «Inua es il prinzi?», fragt die Bündnerin in die Runde. Adrians Hand schiesst in die Luft. «El es in Australia!», ruft er und lacht. «Schi», sagt Robbi und nickt zufrieden.

Bereits seit vier Jahren steht Rätoromanisch in der Emmentaler Gemeinde Langnau auf dem Stundenplan der Zweitklässler, die am Begabungsförderungsprogramm der Unterstufe teilnehmen. Aufgenommen werden jene rund fünf Prozent der Schüler, die durch schnelle Auffassungsgabe, Wissbegierde und Selbstständigkeit auffallen und denen ein Intelligenztest eine «besondere Begabung» bescheinigt.

Bis vor vier Jahren haben die Langnauer Lehrer Begabte in Regelklassen gefördert. Als der Kanton Modellschulen für Förderunterricht suchte, meldete sich Gesamtschulleiter Roland Santschi. Er hatte erlebt, wie ein hochbegabtes Mädchen trotz Förderung schulisch und psychisch zusammengebrochen war. «Das hat uns sensibilisiert.»

Die Inhalte des Förderunterrichts spielen für Santschi keine zentrale Rolle: «Wichtiger ist, dass die Kinder mehr Lernstoff und Anregung bekommen.» Dem stimmt Klaus Müller, Vater der zwölfjährigen Jana, zu: «Die Schule soll keine Elite heranzüchten. Wichtig ist, dass Jana gerne zur Schule geht und herausgefordert wird.»

baz-Artikel

Montag, 1. Mai 2006

Time-out-Klasse in Chur

Sepp (Name geändert) hatte ständig «Stress» mit dem Lehrer, «Arschloch» nannte er ihn, ausgelacht hat er ihn und nachgeäfft. Und Angela hat in den letzten zwei Jahren sieben Mal die Schule gewechselt.

Seit vier Jahren bietet Chur Oberstufenschülern wie Sepp und Angela ein drei- bis fünfmonatiges Time-out an.

«Wie im Sport bedeutet dies auch hier: Sich vergegenwärtigen, wo man steht, und darüber nachdenken, wohin man will», erklärt Heilpädagoge Francesco Bossi, der die Timeout-Klasse leitet. Dabei sei er der Coach und die Schüler seien die Spieler, die zwar auf der Bank sässen, aber noch zur Mannschaft gehörten. «Denn Ziel ist es, sie wieder zu integrieren.»

Wer in Bossis Klasse kommt, hat einen beschwerlichen Weg mit Elterngesprächen, angedrohten Schulverweisen sowie Besuchen beim Schulpsychologen hinter sich. In den meisten Fällen ist das auffälliges Schulverhalten aber bloss Symptom für Probleme, die tiefer liegen – so etwa Gewalt, Drogen, überforderte Eltern. «Die Ursachen sind vielfältig und an keine soziale Schicht oder Nationalität gebunden», sagt Bossi

Das Projekt Time-out scheint Erfolg zu haben: Von den bisher 58 Schülern mussten lediglich fünf in eine Institution weitergewiesen werden. Die Hälfte konnten in die frühere Klasse reintegriert werden, je ein Viertel haben die Klasse gewechselt oder eine Lehre angefangen.

baz-Artikel

Übrigens: Auch der Kanton Basel-Landschaft führt ein Time-out Projekt.

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Bildungsreise

Unsere Bildungsexpertin Barbara Lauber (blb) geht für die BaslerZeitung eine Woche lang – vom 1. bis 5. Mai – auf eine Bildungreise durch die Schweiz. Grund dafür ist die Abstimmung über den Bildungsartikel am 21. Mai.

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